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Entwicklung der Schwankungsrückstellungen in der Wohngebäudeversicherung

Auch wenn das Ausmaß der aktuellen Schäden noch nicht vollständig abzuschätzen ist, zeigt die aktuelle Überschwemmungslage im Süden und Westen des Landes erneut, wie anfällig einige Gebiete für Hochwasser sind. Diese Anfälligkeit sorgt dafür, dass die Wohngebäudeversicherung neben der Kfz-Versicherung zum zweiten Sorgenkind der Schaden-/Unfallversicherungswirtschaft geworden ist. Das belegen auch die hohen Elementarschäden der vergangenen Jahre. Besonders die „Sturzflut Bernd“ Mitte 2021 belastete die Versicherungswirtschaft überdurchschnittlich stark. Doch auch im vergangenen Jahr stiegen die Leistungen weiter auf 8,4 Mrd. € an, während sie 2022 noch bei 7,7 Mrd. € lagen. Dabei spielen auch die generischen Kostentreiber in Form von Leitungswasser- und Feuerschäden eine große Rolle.

Beitragserhöhungen sollen überproportionale Belastungen abmildern

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, hat die Branche hohe Beitragsanpassungen vorgenommen. Dabei richten sich die Prämien auch nach dem Anpassungsfaktor, der auf Grundlage des Baupreis- und Tariflohnindexes ermittelt wird. So sollen steigende Material- und Personalkosten gegenüber den ursprünglichen Baupreisen erfasst werden. Dieser Anpassungsfaktor ist 2024 mit 7,5 % im historischen Vergleich hoch, wenngleich er im Vorjahr noch höher lag (2023: 14,7 %). Die hohen Anpassungen werden auch bei der Beitragsentwicklung zwischen 2021 und 2022 deutlich: Bei den zehn größten Versicherungsgruppen im Wohngebäudebereich sind die Beiträge um insgesamt 9 % gestiegen. Besonders die LVM-, R+V- und Provinzial-Gruppe fallen mit zweistelligen Prozentsteigerungen auf. Neben den Beitragsanpassungen und Indexanpassungen trägt auch das Bestandswachstum zur Beitragssteigerung bei. Bei der LVM beispielsweise erklärt das hohe Vertragswachstum die überdurchschnittliche Beitragssteigerung.

Schwankungsrückstellungen entwickeln sich unterschiedlich

Die genannten Schadenbelastungen zeigen sich auch in der Entwicklung der Schwankungsrückstellungen. Dieser Bilanzposten ist für Schaden-/Unfallversicherer wichtig, um Schwankungen bei den Schadenaufwendungen auszugleichen. In schadenträchtigen Perioden werden Mittel aus den Schwankungsrückstellungen entnommen, während in schadenarmen Perioden mehr Mittel zugeführt werden. Dadurch dienen die Schwankungsrückstellungen als Puffer, der in guten Jahren aufgebaut und in schlechten Jahren abgebaut wird. So wird das versicherungstechnische Ergebnis stabilisiert. Insofern dient die Schwankungsrückstellung dem Risikoausgleich in der Zeit.

Die Grafik zeigt, dass die Entwicklung der Schwankungsrückstellungen im Markt sehr unterschiedlich verläuft. Im Jahr 2022 haben vier der zehn größten Versicherungsgruppen dem Posten Mittel entnommen, während die übrigen sechs Unternehmensgruppen Mittel zugeführt haben. Das verdeutlicht, dass die Risiko-Exponierung der Unternehmen unterschiedlich ist. Trotzdem gilt das Jahr 2022 als tendenziell schadenarmes Jahr in der Wohngebäudeversicherung. Dies wird besonders im Vergleich zum Vorjahr deutlich: Während die Gesamtausgaben im Wohngebäudebereich im Jahr 2021 noch bei 10,6 Mrd. € lagen, sanken sie 2022 auf 7,7 Mrd. €. Dabei ist jedoch zu beachten, dass allein die „Sturzflut Bernd“ im Jahr 2021 Schäden in Milliardenhöhe verursacht hat. Diese hohe Belastung zeigt sich deutlich in den Bilanzen der Provinzial Gruppe. Die Schwankungsrückstellungen sind nur noch im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Es ist sinnvoll, nicht nur die absoluten Schwankungsrückstellungen zu betrachten, sondern auch die Schwankungsrückstellungsquote – das Verhältnis der Schwankungsrückstellungen zu den verdienten Bruttobeiträgen. Dies ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen.

Schwankungsrückstellungsquote sinkt marktweit deutlich

Die Grafik verdeutlicht den Anstieg der Beiträge im Vergleich zu den Entwicklungen der Schwankungsrückstellungen. Analog zur vorherigen Abbildung zeigt sich auch hier ein differenziertes Bild. Während die Schwankungsrückstellungsquote im Betrachtungszeitraum bei fünf Versicherungsgruppen gesunken ist, ist sie bei den anderen fünf gestiegen. Dabei zeigen die LVM- und die VGH-Gruppe die größten Rückgänge mit -5,04 % beziehungsweise -2,75 %. Im Gegensatz dazu weisen die Generali- und die R+V-Gruppe mit 6,13 % und 3,24 % die stärksten Anstiege auf. Auch die Provinzial-Gruppe war von hohen Schäden betroffen, wodurch ihre Schwankungsrückstellungsquote für 2022 knapp unter einem Prozentpunkt liegt. Andere Marktteilnehmer, wie die HUK-Coburg-Gruppe und der LVM, haben ebenfalls niedrige Quoten von 10,37 % beziehungsweise 11,99 %, die nur knapp im zweistelligen Prozentbereich liegen. Insgesamt zeigt sich, dass die Schwankungsrückstellungsquote von 2021 auf 2022 nahezu stagnierte und lediglich um 0,36 % wuchs.

In unserer Ratingpraxis sind die Schwankungsrückstellungen und die Schwankungsrückstellungsquote wichtige Faktoren zur Bewertung der finanziellen Stabilität von Versicherungsunternehmen. Im Rahmen unseres Bonitätsratings analysieren wir diese Rückstellungen sowohl in ihrer absoluten Höhe als auch in Bezug auf ihren zulässigen Höchstbetrag, der stark von der Volatilität des Schadenbedarfs abhängt. Diese Kennzahlen sind jedoch nur ein Teil eines umfassenden Ansatzes. Wir betrachten auch den finanziellen Erfolg, das Wachstum, das Unternehmensmanagement und andere Rahmenbedingungen, um ein aussagekräftiges Urteil über die Bonität eines Unternehmens zu fällen.

 

Autor: Adrian Hamm, Analyst Assekurata Rating-Agentur GmbH

Foto von Chris Gallagher auf Unsplash