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„Erfolgs“-Indikatoren in der Wohngebäudeversicherung

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt sich aktuell besorgt über eine geplante Änderung der Gefahrstoffverordnung. Künftig soll vor Reparaturen in Gebäuden unter bestimmten Bedingungen eine Asbestprüfung Pflicht werden. Dies könnte für Wohngebäudeversicherer erhebliche Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe verursachen, da die Prüfungen Mehrkosten verursachen und die Reparaturen verzögert würden. Am Ende würden diese zusätzlichen Kosten über höhere Versicherungsprämien an die Kunden weitergegeben.

Die Wohngebäudeversicherung ist schon seit längerem unter Druck, besonders wegen der hohen Schadensbelastungen durch Leitungswasserschäden. Zunehmend wirken sich auch Klimaschäden auf die Versicherbarkeit und die Kosten für den Schutz gegen Naturgefahren aus. Selbst ohne die geplanten Asbestprüfungen ist langfristig mit steigenden Schadensbelastungen zu rechnen. Der Bericht „Interconnected Disaster Risks“ des Instituts für Umwelt und Menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen zeigt, dass in Hochrisikogebieten weltweit die Prämien deutlich ansteigen, während sich diese Risikozonen weiter ausdehnen. Großbrände verursachen zusätzlich erhebliche Einzelschäden und treiben die Gesamtkosten in die Höhe. Besonders Jahre mit vielen extremen Wetterereignissen, wie 2021 und 2013, führten bereits zu überdurchschnittlichen Prämienerhöhungen. Auch 2024 wird der durchschnittliche Beitrag, bedingt durch die Inflation und steigende Baukosten, voraussichtlich wieder deutlich steigen und bei rund 650 Euro liegen.

Steigende Prämien und rückläufige Inflation wecken Hoffnungen

Versicherer können ihre Einnahmen erhöhen, indem sie die Prämien regelmäßig an die Bau- und Lohnkosten anpassen, um den wachsenden Schadenbedarf in der Wohngebäudeversicherung zu decken. Entsprechende Indexklauseln sind in den meisten Versicherungsbedingungen hinterlegt. Der Anpassungsfaktor für die gleitende Neuwertversicherung erreichte 2023 einen historischen Höchststand von 14,7 %. Im Jahr 2024 sank dieser Wert zwar auf 7,5 %, liegt aber immer noch deutlich über dem Zehnjahresdurchschnitt von 4,3 %. In unserer Marktprognose zur Schaden-/Unfallversicherung für 2024/25 gingen wir davon aus, dass die derzeit abflauende Inflation und die steigenden Prämien sich positiv auf die Ertragslage in der Wohngebäudeversicherung auswirken und eine Rückkehr in die Gewinnzone ermöglichen könnten. Auch der GDV prognostizierte Ende Januar 2024 auf seiner Jahresmedienkonferenz eine Schaden-Kosten-Quote von 98 % für das Jahr 2023, nachdem sie 2022 noch bei 106,4 % und 2021 sogar bei 139,2 % lag.

Aus dem Markt und von einigen Rating-Kunden haben wir die Rückmeldung erhalten, dass die Einschätzung zur Geschäftsentwicklung in der Wohngebäudeversicherung nunmehr kritischer ausfällt. Dies war für uns der Anlass, die Kennzahlen genauer zu betrachten.

Zur Veranschaulichung der Erfolgslage nutzen wir gerne die Combined Ratio, die Summe aus Schaden- und Kostenquote, auch bekannt als Schaden-Kosten-Quote. Für das Gesamtunternehmen kann die Combined Ratio aus den Angaben in den Geschäftsberichten sowohl vor als auch nach Rückversicherung – also brutto und netto beziehungsweise für eigene Rechnung (feR) – berechnet werden. Auf der Ebene einzelner Versicherungszweige ist dies jedoch nicht möglich, da die Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb in den einzelnen Versicherungszweigen nur brutto ausgewiesen werden. Daher kann die Combined Ratio in der Wohngebäudeversicherung, wie auch in allen anderen Versicherungszweigen, nur vor Rückversicherung dargestellt werden.

Anders verhält es sich beim versicherungstechnischen Ergebnis. Dieses wird im Lagebericht auch nach Rückversicherung, also netto beziehungsweise feR, ausgewiesen. Im Unterschied zur Combined Ratio fließen in das versicherungstechnische Ergebnis auch der technische Zinsertrag feR, sonstige versicherungstechnische Erträge und Aufwendungen, Veränderungen der übrigen versicherungstechnischen Netto-Rückstellungen sowie Aufwendungen für Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen feR ein.

Zu den sonstigen versicherungstechnischen Aufwendungen feR gehört die Feuerschutzsteuer, deren Schuldner die Versicherungsunternehmen sind. Diese Steuer wird jedoch regelmäßig durch einen entsprechenden Prämienaufschlag kompensiert, was für Außenstehende nicht sichtbar ist. In der Wohngebäudeversicherung beträgt der Steuersatz für die Feuerschutzsteuer 19 %, wobei die Bemessungsgrundlage 14 % der Prämieneinnahmen umfasst. Für 2023 mit Bruttoprämien von rund 10,8 Mrd. Euro ergibt sich daraus ein Steueraufkommen von etwa 287 Mio. Euro. Das entspricht rund 2,67 % der Prämieneinnahmen und wirkt sich entsprechend auf die Combined Ratio aus. Da, wie gesagt, die Prämien einen Aufschlag für die Steuer beinhalten, während der Steueraufwand bei den sonstigen versicherungstechnischen Aufwendungen ausgewiesen ist, wird die Combined Ratio durch diesen Effekt systematisch etwas positiver dargestellt als die versicherungstechnische Ergebnisquote feR beziehungsweise die Nettoergebnisquote.

Während das Bruttoergebnis die Erträge und Auswendungen erfasst, die unmittelbar aus dem Versicherungsgeschäft resultieren, berücksichtigt das Nettoergebnis zusätzlich die Übernahme von Risiken durch den Rückversicherer und die damit verbundenen Kosten. Für die Erstversicherer ist am Ende das Nettoergebnis relevanter, da es ihre finanzielle Lage und die Wirkungen des Risikomanagements genauer widerspiegelt.

Branche verfehlt 2023 die Gewinnzone

Nachfolgend sind für 2023 die Combined Ratio brutto und die Nettoergebnisquote in der Wohngebäudeversicherung von 52 Schaden-/Unfallversicherern in einem Koordinatenkreuz gegenübergestellt. Dabei zeigen 22 Gesellschaften eine Combined Ratio von unter 100 %. Über alle Gesellschaften hinweg liegen die Werte zwischen 70,8 % und 144,1 %. 16 Gesellschaften erwirtschaften einen versicherungstechnischen Gewinn feR, Auch die Nettoergebnisquote weist eine beachtliche Spannweite zwischen 23,1 % und -55,8 % auf. Auffällig ist, dass die fünf Gesellschaften mit den höchsten Nettoergebnisquoten aus zwei Versicherungsgruppen stammen (HUK und Württembergische Gemeinde). Gemeinsam ist diesen Unternehmen, dass sie gegenüber dem Marktdurchschnitt über deutlich niedrigere Betriebskosten verfügen.

Unsere Analyse für 2023 deckt nicht den gesamten Markt ab, da zum Zeitpunkt der Auswertung noch nicht alle Geschäftsberichte vorlagen und wir Gesellschaften mit unter 50 Mio. € Prämieneinnahmen nicht berücksichtigt haben. Dennoch repräsentieren die einbezogenen Gesellschaften, die zusammen einen Marktanteil von gut 95 % abdecken, das Marktgeschehen in der Wohngebäudeversicherung. Auf dieser Grundlage liegt der Marktmittelwert der Nettoergebnisquote für 2023 bei -6,58 %, während die Combined Ratio 100,9 % beträgt. Die Prognose, dass der Markt bereits 2023 in die Gewinnzone zurückkehrt, hat sich somit nicht bestätigt. Dies trifft sowohl brutto als auch netto zu. Die Prämienzuwächse der letzten Jahre reichen dafür offensichtlich noch nicht aus.

Der Bestandsanteil der Wohngebäudeversicherung und das Nettoergebnis 2023 sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Daraus lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang erkennen. Allerdings zeigen Gesellschaften mit kleinerem Bestandsanteil eine stärkere Ergebnisstreuung in beide Richtungen.

Nur einmal in 23 Jahren positives Nettoergebnis

Der Einfluss der Rückversicherung auf die Ergebnissituation in der Wohngebäudeversicherung wird besonders in einer langfristigen Betrachtung deutlich. Hierfür haben wir unter anderem die Combined Ratio und die Nettoergebnisquote über einen längeren Zeitraum verglichen. Die Daten stammen aus der Erstversicherungsstatistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Tabelle 5643), den Daten der KIVI GmbH, Kölner Institut für Versicherungsinformation und Wirtschaftsdienste für das Geschäftsjahr 2023 und aus eigenen Recherchen.

Die langfristige Betrachtung zeigt ein überraschendes Ergebnis. In den letzten 23 Jahren konnte die Branche nur ein einziges Mal, im Jahr 2020, ein positives Nettoergebnis von 2,0 % der Nettoprämie beziehungsweise 1,5 % der Bruttoprämie (Umsatzrendite) erzielen. Auf Branchenebene erweist sich die Wohngebäudeversicherung nach Rückversicherung demnach als systematischer Verlustbringer. Immerhin in acht Jahren lag die Branchen-Combined-Ratio, wenn auch teilweise nur knapp, unter 100 %.

Rückversicherung hat hohe Bedeutung

In der vorstehenden Tabelle sind auch Daten zum Rückversicherungs-Saldo (RV-Saldo) aus der BaFin-Erstversicherungsstatistik enthalten. Der RV-Saldo zeigt die Differenz zwischen den an Rückversicherer gezahlten Prämien und deren Beteiligung an den Schäden. Diese Quote wird in Prozent der Rückversicherungsprämie dargestellt. Zusätzlich sind die Brutto-Saldo-Quote und die Netto-Saldo-Quote angegeben.

Der Brutto-Saldo berechnet sich aus den Bruttoprämien abzüglich Bruttoschäden und Bruttokosten und wird ins Verhältnis zu den Bruttoprämien gesetzt. Vom Brutto-Saldo wird der RV-Saldo abgezogen, um den Netto-Saldo zu erhalten, der wiederum ins Verhältnis zur Nettoprämie gesetzt wird. Anders als bei der Nettoergebnisquote sind in der Netto-Saldo-Quote die übrigen versicherungstechnischen Aufwendungen und Erträge nicht berücksichtigt.

Daten zum RV-Saldo und Netto-Saldo liegen jedoch nur für den Zeitraum von 2012 bis 2022 vor, weshalb auch nur für diesen Zeitraum Mittelwerte verfügbar sind.

Rückversicherung spielt eine wichtige Rolle, um im Zeitverlauf extreme Schadenschwankungen auszugleichen. Dies zeigt sich in den Standardabweichungen der langfristigen Kennzahlen: Die Combined Ratio weist eine 175 % höhere Standardabweichung auf als die Nettoergebnisquote. Besonders deutlich wird die Wirkung der Rückversicherung in den Jahren 2021 und 2013, die von hohen Schadenbelastungen geprägt waren. In diesen Jahren verzeichnete das rückversicherte Geschäft aus Sicht der Rückversicherer erhebliche versicherungstechnische Verluste von -91,5 % bzw. -113,2 % der in Rückdeckung übernommenen Prämie, während das Nettoergebnis der Erstversicherer stabilisiert wurde. So reduzierte sich die Brutto-Saldo-Quote im Jahr 2021 von -36,6 % auf Netto -14,6 %.

Trotz der positiven Wirkung der Rückversicherung fällt die RV-Saldo-Quote in den meisten Jahren positiv aus, wobei der Mittelwert für den Zeitraum 2012 bis 2022 dennoch mit -2,7 % negativ ist. Besonders bemerkenswert ist, dass die Netto-Saldo-Quote im gleichen Zeitraum mit -5,6 % doppelt so negativ ausfällt und sich durch zusätzliche versicherungstechnische Aufwendungen, wie die Feuerschutzsteuer, weiter auf -8,7 % verschlechtert. Die Tabelle zeigt zudem, dass die Nettoergebnisquote im Durchschnitt über den gesamten Zeitraum von 2001 bis 2023 bei -10,8 % liegt.

Wohngebäudeversicherungsschutz ein zweischneidiges Schwert

Vor dem Hintergrund des kritischen Ergebnisverlaufs stellt sich für die einzelnen Marktteilnehmer umso mehr die Frage, wie zielführend das Angebot von Wohngebäudeversicherungsschutz überhaupt ist. Eine naheliegende Antwort ist, dass die Gesellschaften unterschiedlich betroffen sind, wie die Ergebnisverteilung 2023 exemplarisch zeigt. Auf Einzelunternehmensebene ist auch eine längerfristige Erfolgsbetrachtung notwendig, die jedoch angesichts der Branchenzahlen vielfach kritisch ausfallen dürfte. Trotz dieser Herausforderungen gibt es mehrere Argumente, warum der Wohngebäudeversicherungsschutz weiter angeboten wird. Die Zielgruppe für diesen Schutz zeichnet sich durch ein hohes Risikobewusstsein, finanzielle Stabilität und eine starke Nachfrage nach umfassendem Schutz und zusätzlichem Service aus. Es sind insbesondere Kunden im Alter von 35 bis 65 Jahren mit mittlerem oder höherem Einkommen, die für Versicherer attraktiv sind, da sie bereit sind, höhere Prämien zu zahlen und zusätzliche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich führt der Abschluss einer Wohngebäudeversicherung häufig auch zu einem Vertrag für eine Hausratversicherung, die vielfach rentabler verlaufen. Für den Vertrieb sind sowohl die Hausrat- als auch die Wohngebäudeversicherungen attraktiv, da sie Bestandsprovisionen und einen Teil der Gesamtvertriebsvergütung bieten. Dabei ist auch zu beachten, dass die notwendigen Beitragsanpassungen aufgrund der steigenden Schadenbelastungen auch zu höheren Bestandspflegeprovisionen führen können. Dies erhöht den Kostendruck zusätzlich.

Insgesamt ist das Wohngebäudeversicherungsgeschäft für Versicherer in Deutschland aber ein zweischneidiges Schwert. Während die steigenden Beitragseinnahmen und regelmäßigen Prämienanpassungen für Einnahmen sorgen, führen die zunehmenden Schadensfälle und die steigenden Kosten zu wachsenden Herausforderungen, die mit Fortschreiten des Klimawandels noch verstärkt werden. Versicherer müssen daher kontinuierlich ihre Prämien und Leistungen anpassen, um profitabel zu bleiben oder zu werden. Dies bringt einen erheblichen Wettbewerbsdruck mit sich.

Autor: Dr. Reiner Will, Geschäftsführer Assekurata GmbH

Foto von Tierra Mallorca auf Unsplash